Die Stadt Kiel feiert in diesem Jahr 100 Jahre Grüngürtel und hat im Rahmen dieses Jubiläums den Stadtgartenwanderweg konzipiert und ausgerufen.
Der Kieler Grüngürtel zieht sich hufeisenförmig durch die Stadt, der Stadtgartenwanderweg mit seinen 44,5 Kilometern vom Strand in Schilksee bis zum Strand Hasselfelde in Dietrichsdorf folgt ihm, so dass man die Kieler Förde entlang von Kleingärten, Seen, Sportplätzen, Vorgärten, Spielplätzen und Tiergehegen, über Wiesen und Felder und Friedhöfe, durch Parks und Wälder umrunden kann. Was Stefan und ich an zwei schönen Sommertagen ausgestattet mit Fahrrädern, dem Faltplan von der Stadt unter dem Motto „Den Kieler Grüngürtel entdecken und erleben“, Kameras und viel Proviant getan haben.
Es war nicht immer einfach, die richtigen Abzweigungen zu finden, denn Wegweiser gibt es nicht und auf der Karte stimmt nicht immer alles genau und überdeckt die orange Linie des Stadtgartenwanderweges manchen Straßennamen.
Lange Zeit hielten wir auch vergeblich Ausschau nach den Blumenkübeln, derer das Grünflächenamt ganze 90 Stück in Kiel aufgestellt hat, um auf den Grüngürtel und seinen Verlauf aufmerksam zu machen.
Fürs Radfahren ist der Stadtgartenwanderweg eigentlich nicht gedacht, zumindest nicht mit City-Bikes – einmal mussten wir wegen einer nicht zu bewältigenden Treppe sogar einen Umweg fahren.
Wirklich nervig waren allerdings der viele Müll sowie die zahlreichen unangeleinten Hunde überall (na ja, und die Mücken).
Tatsächlich jedoch waren wir viel mehr auf und neben Orts- und Kraftfahrstraßen unterwegs, als ich gedacht hatte, und man merkte selbst beim Verfolgen dieses Weges durch Kiels sogenannte grüne Lunge immer wieder die Bevorzugung von Autoverkehr in dieser Stadt.
Der Grüngürtel hat seit 1922 durch Straßenbau, aber auch durch andere Baumaßnahmen wesentliche Einbußen hinnehmen müssen, vor allem bei seinen Kleingartenanlagen. Im Faltplan ist der Grüngürtel noch inklusive Prüner Schlag abgebildet, obwohl dieser Teil in den letzten Jahren fast vollständig für die großen Möbelmärkte Möbel Höffner und Sconto zerstört wurde.
Zwar wurde vonseiten der Stadt auf der offiziellen Auftakt-Veranstaltung des Jubiläums nachdrücklich verkündet, den Grüngürtel nicht noch weiter zu verkleinern, doch es sollen noch weitere Kleingärten für ein riesiges Parkhaus am Holstein-Stadion weichen und noch immer drohen z.B. die Südspange und weitere aus der Zeit gefallene Straßenprojekte.
Ich finde es geradezu makaber, dass die Stadt (sich für) einen Grüngürtel feiert, den sie trotz Klimakrise bereitwillig immer weiter dezimiert.
Natürlich ist das alles Stadtmarketing. Der Stadtgartenwanderweg macht mit seinen schicken offiziellen Webauftritten und Druckerzeugnissen vielmehr Reklame für die Stadt als umgekehrt ... So wirkt der Weg, wenn man ihn erlebt, mit seinem Konzept auch etwas bemüht, so bleibt die gepriesene „grüne Wegeverbindung“ (Broschürenzitat) teilweise eher Fantasie. Dass auf der Karte mit der grünen Farbe nicht realitätsorientierter und somit ehrlicher umgegangen wurde, indem u.a. die vielen mehrspurigen Straßen, die den Grüngürtel durch- und zerschneiden, weiß geblieben wären, ist dienliche Schön- bzw. – sorry – Grünfärberei. Der Kieler Grüngürtel im Jahre 2022 ist ein zerfressener Flickenteppich.
Nichtsdestotrotz oder eigentlich gerade deshalb kann ich die Erkundung des Stadtgartenwanderweges empfehlen. Und auch, weil es entlang der Route wirklich viel zu entdecken und einfach sehr viele schöne Anblicke gibt, z.B. den Botanischen Garten, den Naturerlebnisraum Kollhorst, die Vielfalt der Kieler Kleingärten oder viele verschiedene Gewässer.
(Aktiv gegen die Straßenbaupläne im Kieler Süden ist das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“. Ausführliche Infos zur geplanten Südspange findet ihr auf www.bielenbergkoppel.de.)
20. Thermidor 230